46. BMW Berlin Marathon vom 29. September 2019

(Erlebnisbericht von Anita Kempf)

Was vor knapp einem Jahr mit einer nicht ganz ernst gemeinten Idee begann, entwickelte sich spätestens ab diesem Sommer zu einem fixen Plan: Ich werde am 46. BMW Berlin Marathon teilnehmen!

Aufgrund dessen, dass ich bereits im letzten Jahr wusste, dass ich in Berlin Marathon laufen werde, hatte ich auch genügend Zeit, mich gehörig nervös zu machen. Insbesondere die Zeit, bevor das eigentliche Marathon Training begann, war im Nachhinein gesehen die nervenaufreibendste. In dieser Zeit machte ich mir nämlich viel zu viele theoretische Gedanken, was alles passieren könnte, wie wohl die optimale Renntaktik aussieht und wie ich mich am besten verpflege. Dementsprechend erleichtert war ich, als im Juni endlich mein strukturiertes Programm begann.

Ich trainierte während knapp vier Monaten nach einem Trainingsplan von runningCOACH. Der Plan passte perfekt auf meine Bedürfnisse und liess sich individuell anpassen. Er war fordernd, ohne überfordernd zu wirken. Auch für die Reise nach Berlin holte ich mir Hilfe. Und zwar schloss ich mich einer geführten Reise von Kuoni (Ochsner Sport Travel) an. So musste ich mich weder um Flug, Transfer oder Unterkunft kümmern und konnte mich ganz auf mein Rennen konzentrieren. Der Austausch mit den anderen Mitläufern sowie auch mit den Begleitern Nicole Keller und Jasmin Nunige war für mich sehr hilfreich und interessant.

Nach dem monatelangen Training ging es am vergangenen Freitag endlich los. Nach einer kurzen Reise, trafen wir in der deutschen Hauptstadt ein. Bereits auf dem Weg zur Startnummernausgabe im stillgelegten Flughafen Tempelhof wurden uns die Dimensionen des Marathons zum ersten Mal bewusst. Es wuselte nur so von Leuten und die kleine Läuferin aus dem Kanton Uri war fast ein wenig überfordert ab der schieren Masse von Läufern. Die Startnummernausgabe war dann auch mehr eine Pflichtübung, welche möglichst schnell absolviert wurde. Eigentlich schade, normalerweise liebe ich Marathon-Expos.

Am Samstag Morgen ging es auf eine lockere Jogging-Runde ins Start- / Zielgelände. Wir schauten uns die ersten und letzten Meter des Marathons genauer an. Insbesondere der Zieleinlauf durch das Brandenburger-Tor liess unsere Herzen noch einmal höher schlagen. In etwas mehr als 24h würden wir genau durch dieses Tor laufen und unseren ersten Berlin Marathon finishen... Neben vielen persönlichen Gesprächen, beherrschte ein Thema mehr oder weniger die ganze Zeit unsere Gedanken: wie würde wohl das Wetter am Sonntag werden. Je mehr man sich damit beschäftigte, desto weniger wusste man anschliessend Bescheid. Glücklicherweise beschäftigte mich das Wetter-Thema nicht so sehr, wie andere und ich liess mich auch durch vorhergesagte Regenschauer nicht verunsichern.

Der Sonntag Morgen startete zumindest wettertechnisch optimal: ein trockener Himmel und sogar ein paar Sonnenstrahlen begrüssten uns. So konnten wir uns zumindest trocknen Fusses auf den Weg ins Startgelände machen. Hier muss noch einmal auf die Grösse dieses Anlasses hingewiesen werden. Das Startgelände zum Beispiel konnte nur über spezielle Eingänge erreicht werden. Diese Eingänge wurden durch die Security bewacht und nur wer die Startnummer sowie das Teilnehmerband mit sich trug, durfte eintreten. Von dort ging es weiter zu den Startblöcken. Diese wiederum konnten ebenfalls nur über spezielle Eingänge und nach einer erneuten Sicherheitskontrolle betreten werden. Was dann in den Startblöcken auf einen wartete, hatte ich so zuvor noch nie erlebt. Obwohl noch mehr als 90 min vor der eigentlichen Startzeit, herrschte bereits ein Gedränge und eine Stimmung wie auf einem Konzert. Angesteckt von der positiven Energie, verging die Wartezeit wie im Flug und Punkt 09.50 Uhr durfte ich mich auf meine ersten flachen 42.195 km machen.

Im Vorfeld hatte ich mir eine Laufstrategie für die unterschiedlichsten Szenarien bereitgelegt. Bereits nach den ersten paar Kilometern war ich froh um diese Strategie. Ohne Plan wäre ich nämlich mit Sicherheit viel zu schnell gestartet. Die Mitläufer und Zuschauer puschten einen nur so vorwärts, so dass ich mich immer wieder bremsen musste, um nicht bereits zu diesem frühen Zeitpunkt zu viele Körner zu verschiessen. Alle 5 km musste eine Zeitmessmatte überschritten werden. Dies war für die Daheimgebliebenen jeweils der Zeitpunkt, zu dem sie die aktuelle Zwischenzeit übermittelt bekamen. Ich konnte mir jeweils bildlich vorstellen, wie Peter und die Jungs zuhause vor Fernseher und Natel sassen und fieberhaft darauf warteten, dass ich wieder eine Zwischenzeit passiert hatte. Vor zwei Jahren war ich in der gleichen Situation und die Momente von einer zur nächsten Zwischenzeit kamen mir wie Stunden vor. Aus diesem Blickwinkel hat sich das selber Laufen schon fast einfacher angefühlt ;-).

Bis km 28 verlief das Rennen perfekt und ich konnte mein zu Beginn angeschlagenes Tempo halten und sogar ein wenig steigern. Die Halbmarathon-Distanz passierte ich bei 01:49:16, schneller als in meinen kühnsten Phantasien erwartet. Ich fühlte mich jedoch fit und bereit für die zweite Hälfte. Mittlerweile traf der prognostizierte Regen auch wirklich ein. Zuerst als angenehmer Nieselregen, welcher sich leider bald zu einem anhaltenden Dauerregen entwickelte. Dies sollte bis zum Schluss so bleiben. Die Strassen verwandelten sich mancherorts in Bäche und am Körper blieb praktisch keine Stelle mehr trocken. Meine Startnummer verabschiedete sich irgendwann und nachdem ich sie viermal versuchte während dem Laufen wieder zu befestigen, steckte ich sie beim fünften Mal kurzerhand in meine Shorts. Ab dem erwähnten km 28 machten sich bei mir die Anstrengung und merklich kühleren Temperaturen in Form von ersten Krampferscheinungen bemerkbar. Ich bekam nicht direkt Krämpfe, merkte jedoch bei jedem Schritt, welcher nicht regelmässig oder gleichmässig war, dass sich meine hinteren Oberschenkel zusammenzogen. Ab diesem Zeitpunkt fühlte sich das Laufen wie auf rohen Eiern an und ich war damit beschäftigt, keine ruckartigen oder unkontrollierten Bewegungen zu machen. Glücklicherweise konnte ich mit ein wenig Vorsicht schlimmeres verhindern und solange ich meine gleichmässige Pace behielt, lief alles wie am Schnürchen. So wurde ich sozusagen gezwungen, regelmässig zu laufen, was ja schliesslich nicht verkehrt ist. Ab km 37 wurde es dann auch körperlich härter und ich merkte, wie sich die Strapazen langsam im ganzen Körper bemerkbar machten. Ich wurde geringfügig langsamer, war jedoch mit meinem Kilometerschnitt immer noch sehr zufrieden. Bei km 39 führte die Laufstrecke direkt an unserem Hotel vorbei, inkl. Anfeuerungsrufen von bekannten Gesichtern. Ab diesem Zeitpunkt ging es nur noch darum durchzuhalten und die letzten km abzuspulen. Kurz vor km 42 war es dann wieder, das Brandenburger-Tor. Selten war ich so froh, eine Sehenswürdigkeit aus Stein und Beton zu sehen. Jetzt ging es noch knapp 200 m bis ins Ziel. Dieses erreichte ich dann erschöpft aber überglücklich in einer für mich sensationell guten Zeit von 03:38:58. Im Vorfeld hatte ich mit einer Zeit um 03:45:00 geliebäugelt, wäre jedoch auch mit allen übrigen Zeiten unter vier Stunden zufrieden gewesen. Ganz besonders stolz bin ich auf meine Renneinteilung. So brauchte ich für den zweiten Halbmarathon schlappe 40 Sekunden mehr, was ich mir so im Vorfeld nicht zugetraut hatte.

Der Rest des Tages verlief dann aufgrund des Dauerregens und den kühlen Temperaturen nicht so glamourös wie erwartet. Jeder war froh, endlich den wärmenden Poncho um die Schultern gelegt zu bekommen um nicht mehr zu frieren. Auch hier zeigte sich die Grösse des Anlasses wieder eindrücklich. Bis man endlich das Zielgelände verlassen konnte, musste man wieder zahlreiche Security-Guards passieren und noch einmal etliche Meter zurückzulegen. Das ganze dauerte dann gut und gerne eine halbe Stunde. Gerne wäre ich im Anschluss vor dem Reichstag mit den anderen Läufern zusammengesessen um über das gerade Erlebte zu philosophieren. Stattdessen aber machte ich mich so schnell, wie es ging auf den Weg zurück ins Hotel, wo ich mich gefühlt eine Ewigkeit unter der Dusche wärmte.

Eine Laufreise nach Berlin kann ich jedem laufbegeisterten uneingeschränkt empfehlen. Die Stimmung und Ambiance ist nicht vergleichbar mit den Schweizer Läufen, welche ich bis jetzt absolviert hatte. Obwohl knapp 47000 Menschen gemeinsam den Marathon gelaufen sind, gibt es für alle genügend Platz auf der Strecke und Gedränge herrscht eigentlich nur an den Verpflegungsposten. Auch für die Zuschauer ist Berlin eine Reise wert. Mit ein wenig geschickter Planung können die Läufer an bis zu vier unterschiedlichen Standorten angefeuert werden. So kam ich auch in den Genuss, die verschiedenen Urnerfahnen mehrmals zu erblicken.

Kategorie

W35

Rang / TeilnehmerIn

275. Anita Kempf

Zeit

03.38.58